Universität Bonn

Abteilung für Sinologie

24. November 2025

Prof. Dr. Philip Bockholt, "Übersetzen als Kulturtechnik: Multilingualer innerislamischer Wissenstransfer im östlichen Mittelmeerraum (1350-1800)" (15.12.25) Prof. Dr. Philip Bockholt, 15.12.2025

Das Sinologische Kolloquium der Bonner Abteilung für Sinologie, in Kooperation mit dem Konfuzius-Institut Bonn, freut sich, Herrn Prof. Dr. Philip Bockholt (Universität Münster) zum Vortrag zum Thema „Übersetzen als Kulturtechnik: Multilingualer innerislamischer Wissenstransfer im östlichen Mittelmeerraum (1350-1800)“ am Montag, den 15.12.2025 (Hauptgebäude, Hörsaal XI), um 18 Uhr c.t., einladen zu dürfen.

Prof. Dr. Philip Bockholt, 15.12.2025
Prof. Dr. Philip Bockholt, 15.12.2025 © Wei Butter
Alle Bilder in Originalgröße herunterladen Der Abdruck im Zusammenhang mit der Nachricht ist kostenlos, dabei ist der angegebene Bildautor zu nennen.
Bitte füllen Sie dieses Feld mit dem im Platzhalter angegebenen Beispielformat aus.
Die Telefonnummer wird gemäß der DSGVO verarbeitet.

Übersetzen als Kulturtechnik: Multilingualer innerislamischer Wissenstransfer im östlichen Mittelmeerraum (1350 bis 1800) 

Abstrakt: Ein bisher wenig beachtetes Feld der innerislamischen Wissensgeschichte stellen Übersetzungen von Werken unterschiedlicher Gattungen dar, die in den drei Hauptsprachen der islamischen Wissenstradition abgefasst wurden. Mein Vortrag stellt am Beispiel von Texten der Ratgeberliteratur sowie Geschichtswerken, die aus dem Arabischen und Persischen während des (europäischen) Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit (ca. 1350–1800) im östlichen Mittelmeerraum ins Türkische übertragen wurden, neuere Ansätze zum Thema vor. Übersetzungen werden hierbei als Ergebnis eines Prozesses analysiert, bei dem die beteiligten Akteure – Übersetzer, Auftraggeber, Kopisten sowie intendierte und tatsächliche Leserschaft – vor dem Hintergrund gesellschaftspolitischer Makroentwicklungen für die Zielgesellschaft Weisheits- und historisches Wissen aus den älteren literarischen Traditionen des arabischen und persischen Schrifttums in ein sich von einer Vernakular- in eine Dominanzsprache wandelndes Idiom (Türkisch) adaptierten. An ausgewählten Beispielen wird diskutiert, wer Wissen auf welche Art und Weise verhandelte und was für Veränderungen im Prozess der Übersetzung erfolgten. Dies schließt die Analyse des zeitgenössischen Verständnisses von Übersetzung (türk. tercüme/terceme) und das hierbei verwendete semantische Feld ein. Das zentrale Medium, das nahezu allen im genannten Zeitraum kopierten oder neu angefertigten Texten zugrunde lag, stellte die Handschrift dar, was Auswirkungen auf die Form des tradierten Wissens hatte. Am Beispiel Übersetzung und Wissenstransfer werden daher zugleich Aspekte der islamischen Handschriftenkultur diskutiert, was neben dem eigentlichen Text explizit Paratext bzw. Manuskriptvermerke mit einschließt, die unterschiedliche Formen annahmen und heutiger Forschung zu historischen Lesepraktiken Informationen liefern (z.B. Stiftungs-/Besitz-/Kauf-/Lesevermerke und Stempel). Von besonderer Bedeutung ist hierbei, dass die islamische Handschriftenkultur im Gegensatz zur europäischen oder ostasiatischen erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts mit der flächendeckenden Durchsetzung des Buchdrucks für Werke, die nicht bereits von den christlichen und jüdischen Minderheiten der Region gedruckt wurden, endete – dies schließt somit selbst Schriftquellen vom Beginn der Moderne mit ein.


Prof. Dr. Philip Bockholt studierte Geschichte, Islamwissenschaft und katholische Theologie in Bochum, Jerusalem, Kairo, Istanbul, Teheran, Münster und Berlin. 2018 promovierte er an der Freien Universität Berlin über das Thema „Weltgeschichtsschreibung zwischen Schia und Sunna. Ḫvāndamīrs (gest. 1535–6) Ḥabīb as-siyar und seine Rezeption im Handschriftenzeitalter“ (Leiden/Boston: Brill, 2021). Für seine Dissertationsschrift erhielt er u.a. den Forschungspreis der Annemarie-Schimmel-Stiftung für Islamkunde. Von 2018 bis 2022 war er am Orientalischen Institut der Universität Leipzig tätig. Seit 2022 ist Philip Bockholt als Juniorprofessor für die Geschichte des turko-persischen Raumes am Institut für Arabistik und Islamwissenschaft der Universität Münster tätig und leitet dort die von der DFG geförderte Emmy Noether Nachwuchsgruppe „Innerislamischer Wissenstransfer im Rahmen arabisch-persisch-osmanischer Übersetzungsprozesse im östlichen Mittelmeerraum zwischen 1400–1750“. 2024 wurde er mit der Arbeit „‚Nicht Wort für Wort übersetzt, sondern in schöne Worte gefasst‘: Übersetzer, Auftraggeber und Leserschaft von türkischen Fassungen arabisch-persischer Fürstenspiegel und Chroniken in der Frühen Neuzeit“ an der Universität Münster habilitiert. Unter seinen Buchveröffentlichungen zu nennen sind Ein Bestseller der islamischen Vormoderne (Wien: VÖAW, 2022), Authorship and Textual Transmission in the Manuscript Age (hg. mit Sacha Alsancakli; Paris: Cahiers de Studia Iranica, 2023), Multilingualism, Translation, Transfer: Persian in the Ottoman Empire (hg. mit Hülya Çelik; Sonderheft von Diyâr, 2024) und Elsine-i S̱elāse̱: A Cultural Analysis of Transmission and Translation in the Ottoman Empire (hg. mit Hülya Çelik, Ludwig Paul und Ani Sargsyan; Göttingen: V&R unipress, 2025). Wissenschaftliche Gastaufenthalte führten ihn nach Istanbul, Jerusalem, Madrid, Paris, Sankt Petersburg und Tokio.

Wird geladen